Die Angst vor einem fulminanten Wahlerfolg der Grünen im Herbst führt nicht nur bei der Laschet-CDU zu einer verbalen Radikalisierung. Sie ruft auch die Macher großer politischer Magazine auf den Plan. In der Mai-Ausgabe von CICERO holzt sogar der Chefredakteur selber drauflos. Die Grünen sind ihm eine Titelgeschichte wert – ebenso dem SPIEGEL von dieser Woche. Das Ziel ist, dafür zu sorgen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, wenn man schon ihre Farbe leider nicht ändern kann.
Es lohnt ein Blick auf die Qualität der Argumente. Auch als Grüner will man ja lernen, was es Neues gibt. Vierzig Jahre Warnung vor den Grünen haben Topoi entstehen lassen, deren Wirkungsmacht immer mehr verblasst. Wir lesen und sind enttäuscht: nichts als „olle Kamellen“. Beide Magazine tischen die beiden klassischen Vorbehalte auf: (1) Die Grünen sind machtgeil und haben ihre Ideale verraten. (2) Mit ihrer Ökologiepolitik werden sie den Wirtschaftsstandort Deutschland kaputtmachen. Beide Magazine verheddern sich dabei jedoch in einer leicht erkennbaren Widersprüchlichkeit. Sie warnen vor Annalena Baerbock („Würden Sie dieser Frau Ihr Land anvertrauen?“) – hier schimmert bei CICERO eine rechtspopulistische Rhetorik auf, die mit Angst um die Heimat und vor Fremdheit spielt. Oder – typisch für den immer skandalverliebten SPIEGEL – sie sind verzweifelt auf der Suche nach Verfehlungen und kleinen Versprechern und zeigen auf, in welchem Ausmaß die Grünen in der politischen Wirklichkeit angekommen sind. Die Botschaft, beide Journale zusammengenommen, ist also: die Grünen sind fremd, und sie sind hier. Anders ausgedrückt: sie wollen eine andere Republik, halten sich aber an die Regeln.
Irgendwie dämmert es den Schreibern, dass die eigene Kritik wenig konsistent ist. Sie dürfen ja die Intelligenz ihrer Leserschaft nicht allzu sehr beleidigen. Und deshalb gibt es doch so ein paar ganz kleine Markierungen, die von grüner Seite als ein indirektes Lob gelesen werden könnten. „Viele Forderungen sind heute mittiger“, heißt es im CICERO, ungewollt anerkennend. Und im SPIEGEL heißt es: „Kaum eine Partei verkörpert Veränderung so wie die Grünen, die 16 Jahre nicht im Bund regiert, sich zwischendurch neu erfunden und von neuem Klimabewusstsein in der Gesellschaft profitiert haben“.
Und, könnte man süffisant hinzufügen, offenbar auch nicht so richtig Angst haben müssen vor den alten Angstmachern.
(02.06.21)